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Zum Nachdenken

Was Kirche ist… oder sein will, oder sein kann…

 

Im Dezember feiern wir Weihnachten, alle Jahre wieder. Im Frühjahr – diesmal Anfang April – feiern wir Ostern. Und 50 Tage später gibt es dann das Pfingstfest zu feiern. Während die meisten Menschen noch wissen, was an Weihnachten geschehen ist und viele noch eine Ahnung davon haben, weshalb wir Ostern feiern, herrscht im Bezug auf Pfingsten vielfach Unkenntnis… In den Pfingsttagen wird in den christlichen Gottesdiensten der „Geburtstag der Kirche“ gefeiert. Jedoch: Was könnte das sein, der Geburtstag der Kirche?

Im Jahreslauf zeigt sich endlich die Sonne etwas häufiger und wenn sie scheint, spürt man ihre Wärme wohltuend auf Gesicht und Haut. Der Frühling ist da. Die Natur erneuert sich, alles sprießt und beginnt zu blühen. Und die Kirche? Erneuert sie sich und blüht sie ebenfalls? Sie steht da, als ein eindrucksvolles Gebäude inmitten all der anderen Gebäude um sie herum oder als Kirche mitten im Dorf, das „Haus Gottes“ inmitten unserer Alltagswelt. Wer jedoch die Menschen fragt, was die Kirche sei, bekommt sehr unterschiedliche Antworten: für die Einen ist es einfach nur das sichtbare Bauwerk, für andere ist es die Gemeinschaft, für die Dritten besteht Kirchesein im sozialen und/oder politischen Engagement, wieder andere anerkennen, dass die Kirche Kindergärten, Beratungsstellen und andere diakonische Einrichtungen unterhält, wiederum andere erwarten von Kirche, dass sie sich mit ihrer Stimme einmischt – und nicht wenige Menschen stehen der Kirche vollkommen gleichgültig gegenüber. Es scheint wichtigeres zu geben als die Kirche. Gerade in den letzten Jahren der Corona-Pandemie ist deutlich geworden, dass Kirche nicht oder nicht mehr als systemrelevant eingeschätzt wird: Es gibt sie, aber besonders darum kümmern muss man sich nicht.

Etwas Anderes kommt noch hinzu: glaubt man den Antworten, die einem gegeben werden, hat die Kirche als Institution scheinbar nicht viel mit dem persönlichen Glauben zu tun. Dieser nämlich wird von den wenigsten abgestritten – „Ich glaube schon an Gott, aber mit der Kirche habe ich nichts zu tun!“ oder: „Um Gott zu finden oder ihm nahe zu sein, brauche ich die Kirche nicht.“ So oder ähnlich äußern sich Viele. Der Theologe Fulbert Steffensky hat die Kirche einmal als „Haus, das die Träume verwaltet“ gekennzeichnet. Jedoch: können Träume verwaltet werden? Braucht ein Traum mehr als das Herz und die Phantasie des Träumenden? Mir scheint beides wichtig: sowohl der individuelle Glauben und die eigene Spiritualität (Frömmigkeit) als auch die Institution, die Phantasie genauso wie die Einrichtung einer „Kirche vor Ort“. Kirche hat ihren Ort in der Gemeinde und weist doch gleichzeitig auf etwas hin, was darüber hinausgeht. Sie steht auf festem Fundament und zeigt mit ihrem Turm (und hoffentlich auch mit ihrem Tun) in den Himmel. Die Träume von der Güte des Lebens, von der Gerechtigkeit in der Welt drohen zu verwelken, wenn sie nicht immer wieder genährt werden von mehr als nur eigener individueller Kraft oder dem Durchhaltevermögen.

Wie schön, dass es dies alles nebeneinander gibt: Formen und Rituale, Rhythmen, Traditionen und Gesten, die darauf hinweisen, dass es mehr gibt als nur die so genannte Realität. Und dass es daneben den Geist gibt, der bekanntlich weht wo er will – den Geist der Erneuerung, des Experiments, den Geist der Phantasie und des Mutes, der den Einzelnen und die Gemeinschaft gleichermaßen bereichert.

Kirche heißt auf griechisch „ecclesia“ – das ist die Gemeinschaft der „Herausgerufenen“, die sich auf den Weg macht in ein Leben, das glückt.

Kirche ist eine Weggemeinschaft- und das beinhaltet gemeinsame Zeit: gemeinsame Feierzeit in Gottesdiensten, gemeinsame Zeit in Gruppen und Kreisen der Gemeinde, Zeit zum Zuhören und Da-Sein, Zeit für ein Miteinander.

Kirche, das bedeutet, gemeinsame Räume zu haben, Türen zu öffnen und Gastfreundschaft zu gewähren - und darüber hinaus bedeutet es auch, Gott in unserem Leben Raum zu geben.

Kirche, das bedeutet gemeinsame Arbeit, die Entdeckung und Anerkennung verschiedener und unterschiedlicher Gaben, neue Fähigkeiten aufzuspüren und zu fördern, sinnvolle Dinge zu planen und durchzuführen.

Kirche, das bedeutet gemeinsame Erkenntnis, das Teilen von Erfahrung und Wissen, das Lernen voneinander und das gemeinsame Suchen nach Gottes Wort und seinem Willen.

Kirche, das bedeutet das Teilen von freier Zeit, Muße und zweckfreiem Tun, Freude zu erleben, gemeinsam Feste zu feiern und gemeinsam in das Lob Gottes einzustimmen.

So ist Kirche lebendig und auf dem Weg, die Träume von einem gelungenen Leben Stück für Stück Wirklichkeit werden zu lassen.

Ich bin immer wieder überrascht und vor allem auch erfreut darüber, dass Menschen sich noch immer mit auf diesen Weg machen – in der weltweiten Kirche genauso wie in den Gemeinden vor Ort. Alte wie Junge sind dabei und gehören dazu – Kirche ist also eine Glaubensfamilie. Nicht ohne gelegentlichen Streit und Auseinandersetzungen (wie das bei Familien nun einmal so ist!), aber unter dem Segen dieses einen Gottes, der uns beschützt und begleitet auf dem Weg.

Und weil das so ist, darf die Kirche auch feiern – ihren eigenen „Geburtstag“ und den heiligen Geist, der uns immer wieder be-geistern kann.

In diesem Sinne und mit dieser Hoffnung grüße ich alle, die sich zur Gemeinde zählen,

Euer/Ihr Pfarrer

Christoph Engels

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