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Zum Nachdenken

Das Ende der Saison

Wenn sie weg waren, hatten wir den Strand wieder für uns. Ich bin in einer Urlaubsregion aufgewachsen, und die Sommer meiner Kindheit waren geprägt von den Ferienzeiten in Nordrhein-Westfalen. Ohne jemals dort gewesen zu sein, stellte ich mir dieses ferne Land unglaublich bevölkert vor. Aus der Zahl der „Badegäste“, wie sie damals noch hießen, ließ sich das schließen. Sie füllten die Strandkörbe wie die Parkplätze, standen vor mir in der Schlange vor dem Eisladen, bildeten zum Schluss noch einmal den finalen Stau auf der Autobahn. Und weg waren sie, den Schwalben und Störchen etwas voraus oder kurz hinterher.

Sie ist gerade auf ihrem Höhepunkt, die Saison. Über Ostern kam die erste Welle. Und einige freuen sich schon jetzt auf das Ende der Saison. Dann gibt es wieder ein leises Aufatmen bei den Einheimischen, ein Gefühl, das jeder kennt, dessen Besuch schon mal die eine entscheidende Nacht zu lange geblieben ist. In meiner Kindheit hieß das: Endlich wieder mehr Zeit, weil man nicht mehr Strandkörbe vermieten, Eis verkaufen oder Betten beziehen musste. Endlich mehr Platz am Strand, wenn auch nicht mehr alle Eissorten im Angebot waren. Dass wir irgendwann nur noch die Auswahl zwischen Vanille oder Schoko hatten, nahmen wir gerne in Kauf. Und genossen dafür den Nachsommer ganz unter uns.

Das Ende der Saison ist eine Zeit des beschränkten Angebots, des Weniger, die

Zeit der kleinen Freuden und schlichten Genüsse. Gegen Ende der Saison und mit wachsender Lebenserfahrung weiß man hoffentlich, worauf es ankommt, was wirklich zählt. In seinem Lied „Das Ende der Saison“ singt Reinhard Mey davon.

Wir merken, wie die Zeiten uns herausfordern, wie der alltägliche Wohlstand, in dem wir leben, in Frage gestellt wird, beim Einkaufen wie beim Urlaub machen und bei allem, was sich mit dem Begriff „Konsum“ zusammenfassen lässt. Kein Grund, in Panik zu geraten. Für die meisten von uns bedeutet das noch lange nicht, echte Not zu leiden. Da gibt es in unserem Land und in der Welt noch ganz andere Not.

Lernen, sich zu bescheiden, ist ein Weg zur Weisheit, im spirituellen Sinn und in allen Religionen. „Als Christ zu leben bringt großen Gewinn. Allerdings nur dann, wenn man mit dem zufrieden ist, was man hat“, lesen wir im 1. Timotheusbrief.
Lernen, sich zu bescheiden, ist aber auch eine gesellschaftliche und letztlich politische Herausforderung.

Ich mochte das Ende der Saison schon immer. Ich komme klar mit der Auswahl nur zwischen Vanille oder Schoko. Und freue mich trotzdem daran.

Ihre / Eure Pfarrerin Claudia Konnert

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