
Zum Nachdenken
Liebe Gemeinde,
können Sie sich auch noch an die Jahrtausendwende erinnern? Das ist inzwischen 23 Jahre her. Was hat sich alles in dieser Zeit verändert – gerade in den letzten Jahren. Statt Zuversicht herrscht mehr und mehr Krisenstimmung. Ich frage mich: Was haben unsere Vorfahren gemacht? Große Veränderungen, Umbrüche, Krankheiten, Kriege – das alles ist ja nicht neu. Wie haben sie Mut und Zuversicht und Hoffnung bekommen?
Zeilen aus dem 2. Timotheus Brief 1, 7 fallen mir ein: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Menschen haben Furcht – keine Frage. Angst ist Teil unseres Lebens. Es ist gut sich das einzugestehen und auch zuzugestehen. Unsere Vorfahren haben gewusst, dass man die Angst anschauen kann. Dass man sie vielleicht auch mit Namen benennen kann. Dann verliert sie ihre Macht über uns. Sie ist da, aber sie beherrscht uns nicht. Das ist die Kraft, von der hier die Rede ist.
Dass auf die Liebe verwiesen wird, wundert mich nicht. Gegen den Wahn, die Gier, das Machtstreben, den Egoismus weiß die Liebe, dass wir mit anderen Menschen, mit allen Wesen verbunden sind. Uns verbindet mehr als uns trennt. Die Liebe verändert die Welt. Sie verändert mich. Sie ist eine Kraft, die zeigt, wie die Welt ist.
Am meisten erstaunt mich das Wort „Besonnenheit“. Ich denke zunächst an „Sonne“, Wärme, Licht. Aber in dem Wort steckt ehrlicherweise nicht „Sonne“, sondern „Besinnen“, „Sinn“. Sinn kommt vom indoeuropäischen Wort „sinu“ und heißt wörtlich: Unterwegs sein, eine Richtung einschlagen, eine Reise tun. Es stellt sich die Frage, worauf besinnen wir uns? Mir kommt es oft vor, als ob wir wie von Sinnen sind. Schaffen wir es vor lauter Bequemlichkeit die Richtung zu verändern? Und welche Richtung wollen wir einschlagen? Was soll zählen in unserer Mitte? Gier, Bequemlichkeit, Festhalten – oder Menschlichkeit, Achtung, Zuneigung, Bereitschaft, wenn nötig, zum Neuanfang.
Unsere Welt, wir selbst, haben ihn dringend nötig: Den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Jahr 2023!
Burkard Zill, Pfarrer