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Zum Nachdenken

Liebe Gemeindemitglieder,

Klirrende Kälte und tiefe Dunkelheit. Und ein bewegliches Licht am Himmel, pulsierende grüne Bänder, leuchtende Schwingungen. Es muss fantastisch sein. Ich träume davon, einmal das Polarlicht in echt zu sehen. Dafür müsste ichallerdings an den Polarkreis reisen, und das geht dann auch nur im Winter, wenn die Sonne dort wochen- oder monatelang gar nicht mehr aufgeht. Nach den Kriterien „kalt“ und „dunkel“ wähle ich normalerweise meine Reiseziele nicht aus. Zwei Wochen sollte man sich schon dort aufhalten, um sicherzugehen, dass man auch wirklich ein Polarlicht zu sehen bekommt. Was man dann in dem Rest der Zeit macht, in der gerade kein Polarlicht ist, weiß ich auch nicht so richtig. „Langweilig“ ist auch kein gutes Auswahlkriterium für einen Urlaub. Aber einmal unter diesem bewegten grünen Leuchten über den ganzen Himmel stehen - dafür würde ich dann auch in die kalte Dunkelheit reisen. Polarlichter sind - sehr vereinfacht gesagt - aus Sonnenwind gemacht. Teilchen von der Sonne sind dafür zwei bis drei Tage unterwegs, bis sie auf die Erdatmosphäre treffen und dort in der Nähe des Polarkreises das Leuchten erzeugen. Die Sonne bemüht sich also wirklich unter Aufbietung aller physikalischen Möglichkeiten, etwas von ihrem Leuchten noch in die tiefste Dunkelheit zu bringen. In den recht dunklen Zeiten, in denen wir gerade leben, tröstet mich das.

„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“

Das ist ein großes Versprechen, eine prophetische Verheißung für das Volk Israel. Später wurde sie auf das Kommen Jesu gedeutet.

In Israel, wo diese Worte des Propheten Jesaja aufgeschrieben worden sind,

gibt es natürlich keine Polarlichter. Es wird dort nicht einmal besonders kalt. Aber Kälte und Dunkelheit sind ja nicht nur physikalische oder meteorologische Wirklichkeiten. Die Sehnsucht nach Licht gibt es auch in einem hellen, warmen Land. Für Israel war diese Sehnsucht immer die auf einen oder etwas, das erst noch kommt.

Für mich heißt das: Geduldig die Zeiten von Kälte und Dunkelheit abwarten, auch wenn einem im wirklichen oder übertragenen Sinne die Zehen frieren. Mit dieser Unsicherheit im Herzen leben lernen, ob man das Licht wohl wirklich zu sehen bekommen wird. Und trotzdem immer wieder hinaus-gehen und nach oben schauen. Die Hoffnung auf das Leuchten im Herzen behalten. Noch im tiefsten Dunkel kommen Teilchen aus Sonnenwind an. Und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.

Ihre Pfarrerin Claudia Konnert

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