Jugendliche bereiten sich auf Studienfahrt nach Auschwitz vor
15 Jugendliche werden im Oktober 2015 für eine Woche das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz aufsuchen. Die Jugendlichen im Alter von 16 – 18 Jahre kommen aus dem Ev. Jugendzentrum Baumholder und dem Ev. Jugendcafé Kirn. Diese Fahrt wird inhaltlich vorbereitet von Jutta Behn (Diakonin, Ev. Kirchengemeinde Kirn) und Andreas Duhrmann (Diakon, Ev. Kirchengemeinde Baumholder). Unterstützung erfährt das Team durch Herrn Roman Klyszcz, der schon seit vielen Jahren die jährliche Studienfahrt gemeinsam mit Andreas Duhrmann durchführt.
Die Jugendlichen werden an 5 Vorbereitungstreffen auf diese Studienfahrt vorbereitet. Sie erhalten Informationen zum ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Hierzu hält der Veranstalter eine Vielzahl von Material vor, das sich die TeilnehmerInnen ausleihen können. An einem Abend hatte die Gruppe Herrn Dr. Speier aus Winzenheim zu Gast. Herr Dr. Speier zeigte den Jugendlichen auf, wie es 1933 Adolf Hitler gelingen konnte, an die Macht zu kommen und wie rasant er seine menschenverachtenden Pläne in die Tat umsetzte. Unter dem Thema „Was verstand der Nationalsozialismus unter der Endlösung der Judenfrage“ wurde die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 angesprochen und die daraus resultierenden Ereignisse in ganz Europa. Auschwitz wurde an diesem Abend besonders eingehend besprochen. Nach 90 Minuten musste das Unfassbare erst einmal verarbeitet werden.
Das Unfassbare hatte Herr Heinz Hesdörffer (geb. 1923) miterleben müssen. Geboren in Bad Kreuznach führte ihn der Holocaust nach Westerbork (Holland). Von dort aus kam er nach Theresienstadt, Auschwitz, Schwarzheide, Sachsenhausen bis er am 02. Mai 1945 auf dem Todesmarsch im heutigen Mecklenburg Vorpommern befreit wurde. Die Studiengruppe wollte Herrn Hesdörffer besuchen und sich persönlich von ihm berichten lassen, was damals alles passiert ist, was ihm widerfahren ist.
So machte sich die Studiengruppe am 10.07.15 auf den Weg nach Frankfurt. Herr Hesdörffer wohnt dort in der „Budge-Stiftung“, eine Senioren-Wohnanlage für jüdische und christliche Menschen. Leider hatte Herr Hesdörffer ein paar Tage zuvor einen schweren Unfall und konnte zum Zeitzeugengespräch selbst nicht anwesend sein. Wie gut, dass er 2012/13 mit Jugendlichen aus dem Kreis Bad Kreuznach einen Dokumtarfilm gedreht hatte. „Schritte ins Ungewisse“ heißt der 45min Film, der den Weg von Heinz Hesdörffer von 1923 bis 1945 aufzeigt. Jugendliche haben ihn damals zu den Orten des Schreckens begleitet und diesen beeindruckenden Film gedreht. In der Budge-Stiftung haben sich an diesem Nachmittag neben der Studiengruppe noch 50 weitere Gäste eingefunden. Der Film wurde mit großem Interesse verfolgt. Anschließend tauschten sich die Gäste über das Thema aus und zeigten auf, wie wichtig es ist, auch heute noch „Wachsam“ zu sein, in einer Zeit, wo Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zunehmen. Andere Zeitzeugen waren ebenfalls als Gäste gekommen. Die Jugendlichen nutzten die Gelegenheit für persönliche Gespräche. Besonders spannend und interessant war der Austausch mit Herrn Siegmund Pluznik, der im Krieg im polnischen Widerstand aktiv war.
Im Anschluss war die Gruppe zu einem Abendessen eingeladen. Der Rabbiner Andrew Steinman erläuterte dabei, was man unter „Koscher“ Essen versteht. Natürlich gab es auch nur „Koscher“
Und dann hatten die Jugendlichen doch noch Gelegenheit, Herrn Heinz Hesdörffer kennen zu lernen. Sie durften ihn in seinem Zimmer besuchen. Vom Unfall sichtlich gezeichnet, freute er sich, in die jungen Gesichter zu blicken. „Es ist gut, dass ihr wissen wollt, was damals geschehen ist“, meinte Hesdörffer. Gespannt hörte die Gruppe den Erzählungen von Hesdörffer zu. Still war es im Zimmer. Man hörte nur das Rauschen des Zimmerventilators und die Geschichten von Herrn Hesdörffer. Nach 20 Minuten verabschiedete sich die Gruppe von einem Menschen, der in seinem Leben nie aufgegeben hat. Die Jugendlichen waren von diesem Ausflug nach Frankfurt sehr beeindruckt. Yvonne Müller (18 Jahre) sagte auf der Heimfahrt im Bus: „ Mir hat der Tag sehr gut gefallen. Herr Hesdörffer, welchen ich schon im Vorhinein kannte, konnte mich erneut in seinen Bann ziehen und ich hätte ihm stundenlang zuhören können. Ich finde es immer wieder faszinierend und gleichzeitig auch zutiefst erschreckend wenn Zeitzeugen berichten, da ich nicht verstehen kann, wie unermesslich grausam die Menschen zueinander sein können."
Das nächste Treffen findet nach den Sommerferien statt. In Kirn wird sich die Gruppe auf die Spuren „jüdischen Lebens“ machen. Und dann kommt auch schon bald die eigentliche Reise nach Polen – eine Reise, die sicherlich die eine oder den anderen prägen wird.
Andreas Duhrmann
Bild 1: Michael Dietrich (Budge-Stiftung Frankfurt) im Gespräch mit Lena Bauer (16 Jahre)

Bild 2: Die Studiengruppe nutzt die Gelegenheit, mit dem Zeitzeugen Siegmund Pluznik ins Gespräch zu kommen. Herr Pluznik war im polnischen Widerstand aktiv.

Bild 3: Der Rabbiner Andrew Steinman erläutert die Bedeutung „Koscher“ beim Abendessen.

Bild 4: Sichtlich gezeichnet von seinem Unfall empfängt Herr Hesdörffer die Jugendlichen in seinem Zimmer.

Bild 5: Jugendliche der Studienfahrt nach Auschwitz besuchen Herrn Heinz Hesdörffer in Frankfurt.

Bild 6: Dr. Speier erläutert den Jugendlichen, was sie auf ihrer Studienfahrt erleben werden.

Bild 7: Dr. Speier stellt den Jugendlichen das Konzentrationslager Auschwitz in seiner unfassbaren Dimension vor.
